Ehrenmorde Geschichte: Ursula und Heribert R. (2008)

Ursula und Heribert R.
geboren: Ursula: 1945, Heribert: 1955
erstochen: 14. März 2008
Wohnort: Berlin
Herkunft: Opfer: Deutschland, Täter: türkischer Vater
Täter: ihr Enkel Erdal, zur Tat 18 J.

Claudia W. ist 16 oder 18 Jahre alt, als sie mit dem sieben Jahre älteren Türken Sahin Ö. zusammen kommt. In zwanzig Jahren kommen vier gemeinsame Kinder zur Welt. Die beiden heiraten nicht, vermutlich, weil Claudia mit Sahins Bruder eine Scheinehe eingeht, um ihm das Bleiberecht in Deutschland zu verschaffen.

Sahin schlägt und demütigt seine Familie. Im Dezember 2007 flieht Claudia (die als Altenpflegerin arbeitet) mit ihrem ältesten Sohn Erdal nach Hannover. Ein Arbeitskollege, der einige Jahre jüngere Iraker Mohamad R., begleitet die beiden. Dabei stellt der 18jährige Erdal fest, dass seine Mutter ein Verhältnis mit ihm hat. Er fährt zurück nach Berlin und solidarisiert sich mit seinem Vater Sahin.

Claudia will sich trennen, doch das akzeptiert Sahin nicht. Er terrorisiert seine ehemalige Lebensgefährtin und droht ihr mit dem Tod. Ein Amtsgericht verfügt, dass er sich ihr nicht mehr nähern darf.

Am 8. Januar fahren Sahin und sein Sohn in die Neuköllner Wohnung des Irakers. Erdal schlägt ihm eine Hantel auf den Kopf. Als er am Boden liegt, sticht er mit einem Messer auf ihn ein. Sein Vater Sahin stachelt ihn an und zertrümmert mehrere Vasen auf Mohamads Kopf.

Am Tag darauf wird Sahin festgenommen und im Juli wegen gefährlicher Körperverletzung zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Sein Sohn Erdal taucht bei Verwandten unter.

Doch am 14. März fährt er zu seinen Großeltern Ursula und Heribert. Beide sind gehbehindert und hatten in den Auseinandersetzungen immer zu ihrer Tochter Claudia (also zu Erdals Mutter) gehalten. In ihrer Wohnung ersticht der ehemalige Lieblingsenkel seine Großeltern. Polizeibeamte stellen den jungen Mann später in der Wohnung einer Tante.

Ermittlungen, ob Erdals Vater den Mord aus dem Gefängnis angeordnet hat, werden eingestellt. Wahrscheinlich allerdings ist, dass Erdal durch die Gewalt gegen die Familie seiner Mutter zum ersten Mal die Chance sah, Anerkennung von seinem gewaltbereiten Vater zu bekommen.

Am 9. September 2008 beginnt der Prozess. Erdal gibt nun nicht mehr Rache als Motiv an, sondern spricht von einem eskalierten Streit. Unklar ist, warum der in Berlin geborene Sohn einer deutschen Mutter vor Gericht schlechtes Deutsch spricht. Ein Nebenklagevertreter beantragt, Sahins Mutter zu vernehmen, um zu erfahren, ob der Befehl zum Mord aus seiner Familie kam. Eine Telefonliste mit Anrufen vor der Tat könnte darauf hinweisen. Gegen die Tante, bei der Erdal vor und nach der Tat untergetaucht war, wird ebenfalls ermittelt.

Mutter Claudia lebt im Zeugenschutzprogramm in einer anderen Stadt. Im Prozess ist sie Nebenklägerin und Zeugin.

Am 12. November 2008 wird Erdal zu einer Jugendhöchststrafe von 10 Jahren Haft verurteilt.

Was ist ein Ehrenmord?

Ein Ehrenmord ist ein Mord im Namen der Ehre. Wenn ein Bruder seine Schwester ermordet, um die Familienehre wiederherzustellen, handelt es sich um einen Ehrenmord. Nach Ansicht von Aktivisten sind die häufigsten Gründe für Ehrenmorde, wenn das Opfer:

die Zusammenarbeit in einer arrangierten Ehe verweigert.
die Beziehung beenden will.
das Opfer einer Vergewaltigung oder eines sexuellen Übergriffs war.
wurde beschuldigt, eine sexuelle Beziehung ausserhalb der Ehe zu haben.

Menschenrechtler gehen davon aus, dass jedes Jahr 100.000 Ehrenmorde verübt werden, von denen die meisten den Behörden nicht gemeldet werden und einige sogar von den Behörden selbst absichtlich vertuscht werden, zum Beispiel weil die Täter gute Freunde von örtlichen Polizisten, Beamten oder Politikern sind. Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist immer noch ein ernstes Problem in Pakistan, Indien, Afghanistan, Irak, Syrien, Iran, Serbien und Türkei.